Ein seit mehr als einem Jahr
arbeitsloser Mann, der das Mobbing seines Chefs gegen ihn nicht mehr
aushielt und daher kündigte, hat den Glauben an seine berufliche
Zukunft völlig verloren und wird immer intensiver von
existentiellen Angst- und Panikanfällen
überfallen.
Ich frage ihn, wie er diese Angst spüre.
Er sagt: "In meinem Bauch ist
es so 'g'schmuch'".
Es handelt sich also um jene
typische Körperempfindung, die man bei Angstzuständen
hat.
Doch eine solche Analyse seines
Zustandes nützt ihm nichts, sie ist zu kausal: Sie besagt
einfach: "Wenn man Angst hat, bekommt man diese psychosomatische
Reaktion." Aber etwas Sinnvolles steckt nicht in dieser
Erklärung.
Wenn
man sich nun statt dessen fragt, was die Körperseele dazu sagt (oder das Bauchhirn, im Gegensatz zum Kopfhirn), sucht
man einen Weg, um mit dieser in Kontakt zu kommen.
Ich
schlage dem Klienten also vor, er solle in eine Visualisierung
(Symptom-Symbol-Transformation) seines
Angst-Symptoms einsteigen. Nach einigen einführenden
meditativen Übungen geschieht folgendes:
"Das ist etwa so wie
der Bézier-Bildschirmschoner am PC. Der macht solche
Bewegungen, und diese habe ich auch in meinem Bauch. Dieses
ziellose Hin und Her."
(nach einer Weile) "Nun hat
es sich gewandelt. Es sind nun zwei Scheinwerfer, die in meinem
Bauch oben aufgehängt sind und diese Bewegungen machen. Sie
fahren ziellos in meinem Bauch herum."
:"Seltsam, jetzt stehen sie
still. Sie kreuzen sich an einem Punkt am 'Boden' (ich spüre
nun im Bauch den 'Boden')."
(nach einer Weile der
Stille): "Seltsam, also wirklich seltsam. Da liegt am Boden so
etwas wie ein riesiges Geldstück. Es ist aus Gold. Ja, es ist
eine Münze, aber vielleicht 4 bis 5 cm dick und 1 m im
Durchmesser."
"Um es genauer zu erkennen,
muss ich niederknien. Ja, etwas drückt mich sogar auf den
Boden, etwas will, dass ich knie. Und zwar auf dieses riesige
Goldstück. Es drückt mich ganz zusammen, bis ich die
Position eines Embryos habe. Dieses Zusammendrücken gibt mir
das Gefühl, dass ich mich weiter nach unten begeben soll,
nicht so auf dem hohen Ross bleiben soll (RFR: später zeigte
sich, dass das "hohe Ross" seine Idee war, Angestellter zu
bleiben)."
(nach langer Zeit) "Nun, ich
versuchte immer wieder, die Oberfläche dieses
Goldstückes zu ertasten, doch ich fand nichts. Ich
spürte irgendwie mit der Hand, dass es Gold war, aber weiter
spüre ich im Moment nichts."
(nach
einer langen Zeit des Schweigens ein Schrei des Erstaunens) "Sie
werden nun sicher lachen! Ich hatte bei der
Arbeitsvermittlungsstelle einen Termin mit dem Sozialberater, der
Arbeitslose betreut, die sich selbständig machen wollen. Ich
orientierte mich dort über die Möglichkeiten. Er hatte
an der Wand ein Bild von so einem Ding aufgehängt, ich weiss
aber nicht was das ist. Ich weiss nur, dass man solche runden
Dinger Mandalas oder ähnlich nennt."
Damit war die Visualisierung
fürs erste zu Ende. Meine Aufgabe bestand nun darin, sie zu
deuten um daraus den in Zukunft einzuschlagenden Weg des Klienten
herauszudestillieren. Dazu musste ich abklären, um welches Bild
eines Mandalas es sich handelte. Das Resultat war sowohl für
mich als auch für meinen Klienten sehr erstaunlich! Es war ein
Bild des sogenannten aztekischen Kalenders!!!
Deutung der
Visualisierung:
Bemerkungen zum
Verlauf:
Wir haben gesehen, dass die
Beschreibung des Symptoms nicht weiterführt. Wir suchen daher
die "Übersprungsreaktion" in das Symbol, in das Bild. Dieses
beschreibt im Gegensatz zum Symptom (die Panik) einen möglichen
Ausweg aus der Krise. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass diese
symbolische Innenseite, im Gegensatz zum Symptom (Angst zeigt sich
meist in dieser Empfindung des "g'schmuch"), Informationen über
das "Wozu?" enthält, das heisst, über diesen "inneren Film"
erhalten wir Auskunft darüber, was mein Klient eben jetzt, in
dieser schwierigen Phase seines Lebens, ändern muss, um in eine
sinnvolle berufliche Zukunft hineinzuwachsen.
Um diese
Verhaltensänderung herauszufinden, müssen wir diese
Visualisierung nun deuten.
Viele Informationen, die
für die Deutung wichtig sind, erhalten wir vom Klienten selbst.
Am Anfang sieht er einen Bézier-Bildschirmschoner und er sagt
uns, was dieser bedeutet: Das ziellose Hin und Her. Dies entspricht
genau seiner Lebenshaltung im Moment. Er hat sich seit mehr als einem
Jahr für über 70 Kaderstellen beworben, doch war alles
vergeblich. Meist wurde er als überqualifiziert eingestuft, dann
wieder war er zu originell, hatte zuviele neue Ideen, usw.
Der Bézier verwandelt
sich nun plötzlich in ein Paar von Scheinwerfern. Offensichtlich
soll ein wichtiger Aspekt genauer beleuchtet werden. Um
welchen Aspekt handelt es sich? Offensichtlich um den Aspekt, dass er
das Geld "auf der Strasse" finden könnte!
Doch um dieses zu finden, muss
er vom hohen Ross hinuntersteigen. In der Besprechung zeigte sich,
dass mein Klient folgendes Problem hatte: Während seiner
Angestelltenzeit hatte er viele Ideen zur Verbesserung der Situation
in seiner Firma. Diese waren seinem Chef jedoch nicht genehm, so dass
sie allesamt abgelehnt wurden. Es zeigte sich, dass mein Klient
eben wegen seiner Kreativität gemobbt wurde!
Mit der Zeit
resignierte er und glaubte auch selbst seinen eigenen Ideen nicht
mehr. "Vom hohen Ross hinuntersteigen" bedeutete daher, dass er
wieder an seine Ideen glauben sollte und vor allem, dass er die
Pflicht hatte, sie unter die Leute zu bringen, statt das
verkannte Genie zu spielen.
Es stellt sich aber die Frage,
wie er dies machen sollte. Dazu müssen wir den Verlauf der
Visualisierung weiter verfolgen. Mein Klient erlebte es schon als
seltsam, dass er ein solches riesiges Goldstück fand. Immerhin
ist er seit mehr als einem Jahr arbeitslos und nicht unbedingt mit
Reichtum gesegnet.
Hier wird es nun wichtig zu
sehen, dass diese Bilder von einer möglichen Zukunft sprechen.
Sie wollen dem Klienten sagen, wo er zu Geld kommen wird, wo die
Schätze, die er potentiell in sich trägt, zu heben sein
werden.
Dieses Beispiel zeigt sehr
deutlich, dass das sogenannte Unbewusste ein Zukunftswissen besitzt,
das man mit Hilfe derartiger Visualisierungen befreien kann. Dieses
"absolute Wissen" (C.G. Jung) führt meinen Klienten nun
zurück zum Arbeitslosen-Berater für zukünftige
Selbständigerwerbende. Damit haben wir eine erste Spur
gefunden.
Offensichtlich ist es die
Aufgabe meines Klienten, Selbständigerwerbender zu werden.
Dieses Resultat ist insofern wichtig, als er immer daran zweifelte,
ob er die Fähigkeiten für eine selbständige
Erwerbstätigkeit habe. Nun aber spürte er vom Bauch
ausgehend eine tiefe innere Sicherheit, dass dies seinem
Lebensweg entspricht. Eben diese Sicherheit hatte ihm bis jetzt
gefehlt, und mit dem Kopf allein hätte er nie in diese
hineingefunden. Es ist nämlich ein Unterschied, ob man sich mit
dem Kopf ein Ziel setzt, oder ob man "aus dem Bauch heraus"
spürt, dass ein bestimmtes Ziel der Erfüllung der eigenen
Lebensaufgabe entspricht.
Das absolute Wissen des
Unbewussten hat meinen Klienten also zur Einsicht geführt, dass
es eine absolute Notwendigkeit für ihn ist,
Selbständigerwerbender zu werden. Doch es sagt uns noch mehr. Um
weitere Informationen zu erhalten, benötigen wir Auskünfte
über Wesen und Sinn des aztekischen Kalenders. Wozu hatte dieser
Kalender gedient? Was haben die Azteken damit gemacht? Einfach das
Sonnenjahr in Monate und Tage eingeteilt, wie wir dies
tun?
Nein! Bei den Azteken (z. folg.
s. Marie-Louise v. Franz, Zeit - Strömen und Stille,
Insel Verlag, Frankfurt a/M, 1981, S. 8) war die Zeit mit der
obersten Gottheit Omotéotl assoziiert. Er war Vater-Mutter und
Schöpfer aller Dinge und befindet sich im oben abgebildeten
Kalender in dessen Zentrum. Eben in dieses Zentrum musste mein Klient
in der Visualisierung seiner Angst aber gehen, das heisst, symbolisch
gesprochen, er hatte die Aufgabe, sich mit diesem Gott der Zeit in
Verbindung zu setzen.
Wunderbar! Aber was heisst das,
sich mit dem Gott der Zeit in Verbindung zu setzen? Das tönt ein
bisschen so, wie die Worte des Pfarrers in der Kirche!
Genau so tönt es im
Moment, doch müssen wir diese symbolische Sprache nun in eine
konkrete Anweisung umsetzen. Dazu brauchen wir weitere Informationen
über den aztekischen Kalender.
In vielen alten Kulturen, so
auch in der aztekischen, besass die Zeit einen qualitativen Aspekt
(Franz, S. 80). Was bedeutet dies? Dies will uns sagen, dass Zeit
nicht einfach ein wertfreier Rahmen ist, wie die Naturwissenschaft
uns weismachen will. In einer qualitativen Zeit muss man spüren
lernen, wann der Zeitpunkt für welche Handlung gekommen ist.
"Wenn ein Mensch zur richtigen Zeit das Richtige tut, hat er die Welt
verändert." Diese chinesische Weisheit müssen wir wieder
lernen.
Aber was bedeutete dies nun
für meinen Klienten? Nichts weinger und nichts mehr, als dass
diese Visualisierung ihm gezeigt hatte, dass die Zeit gekommen war,
alles zu unternehmen, um möglichst bald in die
Selbständigkeit einzusteigen. Er musste alles andere
liegenlassen, möglichst keine Energien für falsche Ziele
(beispielsweise weitere Bewerbungen für eine Anstellung!)
investieren um in diesem Moment, in den nächsten Tagen, Wochen
und Monaten mit Volldampf seine selbständige
Erwerbstätigkeit vorzubereiten.